Friday, October 28, 2011

Die Ästhetik japanischer Baustellen

Um mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu gelangen, müsste ich eigentlich über eine Brücke. Zurzeit ist die Brücke jedoch für Fahrräder und Fussgänger gesperrt. Die Umleitung ist gut ausgeschildert, und führt an einer Baustelle vorbei. Baustelle in Japan heisst zuerst einmal, dass zusätzlich zu den an den Bauarbeiten tatsächlich beteiligten Personen mindestens eine Person für die Sicherheit an der Schnittstelle zum übrigen Verkehr verantwortlich ist. Zum Beispiel hat es vor unserem Haus eine Baustelle. Die Strasse wird von etwa 1.8 auf vielleicht 2.5 Meter verbreitert. Ich schätze es verkehren 5-10 Autos pro Tag auf dieser Strasse. Mit Sicherheit allesamt Anwohner, die wissen, welche anderen Schleichwege ans Ziel führen. (In diese Strassen verirrt man sich nicht.) Zudem schlägt die Strasse alle 30 Meter einen Haken, so dass also keine Raser auf der Strecke zu erwarten sind. Dennoch ist ein Arbeiter damit beauftragt, den ganzen Tag den Verkehr zu regeln und für die Sicherheit aller zu sorgen - auch für diejenige der Bauarbeiter selbstverständlich. Kommt man vorbei, wird man freundlich begrüsst, mit einer angedeuteten Verbeugung, einem Lächeln und einem gemurmelten Gruss. Ja, Baustellen verbreiten in Japan gute Laune. Zurück zur Baustelle auf dem Weg zum Bahnhof. Auch da sorgt also jemand tagsüber für die Sicherheit. Es kann auch vorkommen, dass man vor den Gefahren gewarnt und zum Absteigen aufgefordert wird. Der aufmerksame Fahrradfahrer wird dann vielleicht die Kunst am Baustellenzaun entdecken.


Singvögel auf blauem Hintergrund gegen Dreck und Lärm. Das gleiche Motiv könnte man sich auch auf einem Tischtuch oder Vorhang vorstellen - eine heitere Gesellschaft, aber wohl hier unter freiem Himmel doch besonders passend. Es scheint mir ein schönes Beispiel dafür, wie in Japan alltägliche Gegenstände zu mehr als blossen Gebrauchsgegenständen veredelt werden - selbstverständlich ohne dass dabei die Funktion zu kurz kommt.


Nachts wird die Baustelle nicht bewacht. Dafür blinken an neuralgischen Stellen grosse Pfeile. Zusätzlich säumen Signalkegel den Weg. Vielleicht geht es bei diesen Massnahmen um den spät heimkehrenden Salaryman, der die Lenkstange nicht mehr so fest im Griff hat. Oder eben doch um die Ästhetik.



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