Wednesday, November 9, 2011

Party People

Schliesslich haben wir es heute doch noch ins Onsen geschafft. Einen Besuch im Onsen darf man bei einer Japan-Reise einfach nicht auslassen. Wir waren in einem Onsen in Saitama. Zu meiner grossen Überraschung war auch eine Sauna integriert und in der Sauna lief ein Fernseher.


Aber eigentlich wollte ich noch von der Barbecue-Party berichten, die für die Mieter der Gemüsegärtchen auf dem Grundstück meiner Gastfamilie veranstaltet wurde. Eingeladen hatten die Internetfirma, welche die Mieter sucht und beim biologischen Gemüseanbau unterstützt, und Herr Suzuki als Eigner des Grundstücks. Angesichts des regnerischen Wetters wurde die Party in der Doppelgarage der Suzukis gefeiert. Die Stimmung war gelöst alle halfen tatkräftig beim Aufbau des Buffets und bald hielten Herr Suzuki und der Manager des Feldes eine kurze Ansprache zur Begrüssung.



Das Fest begann um 11 Uhr und dauerte bis etwa 15 Uhr. Es gab reichlich Fleisch und Gemüse - alles in essstäbchengerechten Portionen. Dazu wurde nach Belieben Bier, Saft und Sake getrunken. Am Ende servierte eine Mieterin sogar noch einen Chesecake, ebenfalls in kleinen Stückchen. Ich dachte, dieses kleine, feine  'Desserbuffet' würde nirgends hinreichen, aber es blieb sogar noch etwas übrig.

Irgendwann erzählte Herr Suzuki, dass der Betreuer und Manager des Grundstücks ausserordentlich gut Klavier spielen könne. Selbstverständlich wollten nun alle, dass er ein wenig Klavier spiele, doch er winkte ab. Einige Minuten später aber hörte man ihn im Haus der Suzukis Klavier spielen, unter anderem Schumann. Zwischen den einzelnen Stücken, die er offenbar allesamt auswendig beherrschte, wurde höflich geklatscht und immer mehr Gäste begaben sich in den Garten Suzukis, um des Klavierspiels zu lauschen. Es war ein wirklich romantischer Augenblick.









Meine Gastfamilie

Über meine Gastfamilie habe ich bisher wenig geschrieben. Die Eltern Suzuki und ihr Sohn Mone haben mich gut aufgenommen, mich dazu angehalten, meine Japanischkenntnisse anzuwenden, und mich mit praktischen Ratschlägen unterstützt. Sogar Hund Mikka schien mich nach einem gemeinsamen Spaziergang am ersten Tag als Familienmitglied akzeptiert zu haben. Herr Suzuki ist vielseitig interessiert und ein angenehmer Gesprächspartner, der auch mit subtilen Spässchen nicht spart. Manchmal war ich froh, mich mit ihm auch in Englisch unterhalten zu können. Dank Frau Suzuki lernte ich eine japanische Alltagsküche kennenlernen, die zwar unverkennbar japanisch war, aber auch ohne weiteres westliche Gerichte integrierte. So war ich nicht wenig überrascht, als eines Morgens nebst Reis, Gemüse und Miso-Suppe noch eine kleine Portion Tomatenspaghetti mit reichlich Knoblauch vor mir stand, ein anderes Mal gar eine Portion Gulasch. Geschmeckt hat es immer ausgezeichnet.


Nach dem Frühstück setzte ich mich oft ins Wohnzimmer, um zu bloggen. Fast immer schien die Morgensonne vom Garten her in das Zimmer. Ich habe dieses Zimmer sehr lieb gewonnen.


Das Haus wurde vor 40 Jahren neu gebaut. Im Entree hängt ein Bild des Elternhauses von Herrn Suzuki, ein Bauernhaus mit Rietdach, welches zuvor am selben Ort stand. Auch das neue Haus ist geräumig. Die ganze Seite zum Garten hin ist dank Schiebetüren und -wänden an sonnigen Tagen wunderbar lichtdurchflutet.


Auf dem Grundstück stehen zwei Kakibäume. Bei unserem Spaziergang am ersten Tag hatte ich Herrn Suzuki gesagt, dass Kaki zu meinen Lieblingsfrüchten gehören. Zum Abschied überreichte er mir ein Bild, dass er selber vor einigen Jahren gemalt hatte: ein Bild von einem Kakibaum. Ich fühle mich sehr geehrt, ein so schönes und spezielles Geschenk bekommen zu haben.

Sunday, November 6, 2011

Mit Hikaru und Vita auf Ustream

Hikaru Hie habe ich über das Applied Improvisation Network kennengelernt. Sie ist Schauspielerin, hat ein Buch mit dem Titel "Yes, and..." geschrieben und unterstütz Personen und Unternehmen in Sachen Kommunkation. Ihr Credo lautet: "Play Forward!" Spontan hatte sie mich zu ihrer monatlichen Talkshow auf Ustream eingeladen. Zusammen mit Vita Naitown, einer Entertainerin mit Abschluss an der Keio-Universität, mietet sie sich jeweils in einem Medienzenter in Yokohama ein und verbreiten ihr Programm mittels Computer und Webcam. In der Show unterhält sie sich mit jeweils ein bis zwei Gästen. Meist sind auch eine Hand voll Zuschauer vor Ort. Über's Web schauen jeweils immerhin etwa 1000 Personen zu. Primär wollen die zwei den Impro-Gedanken in Japan verbreiten und mit ihrer positiven Ausstrahlung andere anstecken.



Es war Halloween. Nachdem ich mein Tänzchen zum Auftaktsong gemacht hatte, trafen etwas verspätet doch noch weitere Gäste ein, und auch die erste Talk-show-Parterin, Takako Yamada von Waku Work Englisch. Ich war erleichtert, die Show nicht alleine mit den beiden bestreiten zu müssen, wusste ich doch nicht wirklich, worauf ich mich eingelassen hatte. Wer nun aber wissen will, was da alles gesagt wurde, der muss sich die Show schon selber anschauen. Japanischkenntnisse sind von Vorteil ;-).


Es war vielleicht etwas waaghalsig, gleich in der ersten Woche meines Aufenthalts an dieser Live-Show teilzunehmen, aber mein Interesse an der Improszene Japan war einfach zu gross, als dass ich das hätte auslassen können. Hikaru und Vita gehen mit ihrer Show neue Wege. Eine Live-Sendung, die den Impro-Gedanken in Japan verbreitet, das ist doch eine tolle Sache. Da Impro auf der Bühne in Japan noch nicht wirklich den grossen Durchbruch erlebt hat, scheint es mir ein vielversprechender Ansatz, um mehr Leute zu erreichen. Ich bin gespannt was daraus noch wird!



Feueralarm


Gestern abend um acht machten wir uns auf, um ins Onsen zu fahren. Daraus wurde leider nichts. Ich war gerade noch in meinem Zimmer, da geriet meine Gastfamilie vor der Haustür in helle Aufregung. Schnell war auch ich zur Stelle. Draussen war es bereits dunkel. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass Frau Suzuki bemerkt hatte, dass eine der Stromleitungen zu unserem Haus hin an einer Stelle in unregelmässigen Abständen rot glomm.

Herr Suzuki reagierte schnell. Er schaltete alle elektrischen Geräte im Haus aus und rief die Feuerwehr an. Als die Feuerwehr kaum fünf Minuten später mit zwei Wagen und über einem Dutzend Männern bei uns eintraf, war aus dem Glimmen ein durchgehendes Gühen geworden, es stieg beständig ein feines Rauchfähnlein auf und ab und zu knallte es sprühte Funken.

Und dann geschah eigentlich lange nichts. Na ja, die Feuerwehr war in Bereitschaft und ein Feuerwehrmann dokumentierte die Situation und wollte von Frau Suzuki ganz genau wissen, was sie wann wahrgenommen hatte. Ansonsten unterhielt man sich mit den herbeigeeilten Nachbarn oder machte Witze über Tepco. Einer der Feuerwehrleute kam auf mich zu und erzählte mir in Englisch, dass er einmal einen Homestay in Neuseeland gemacht hatte und nun zwei Kinder im Alter von 6 und 8 habe, einen Jungen und ein Mädchen. Es dauerte etwa eine Stunde, bis die Leute von Tepco vor Ort waren, um die Leitung zu prüfen und zu reparieren. 

Ich war schon froh, dass Frau Suzuki den Leitungsschaden bemerkt hatte. Es ist keine angenehme Vorstellung, nachts in einem luftigen Holzhaus von einem Feuer überrascht zu werden. 

Saturday, November 5, 2011

SOHO Odaiba


Raucherstübli

Überall Automaten

Getränkeautomaten stehen in Japan überall. Auch im hintersten Kami-verlassenen Nest findet man alle paar Meter Getränkeautomaten. In Tokyo werden selbstverständlich nicht nur warme und kalte Getränke per Automat verkauft. Man findet auch Automaten für Instantnudeln, Eis, Eier, Gemüse, Blumen, Regenschirme, weisse Hemden u.s.w. 


Aber der Siegeszug der Automaten in Japan ist noch lange nicht vorbei. So gibt es z.B. in der Nähe des Tokyo Edo Museums ein winziges Restaurant, wo man sein Menu am Automaten auswählt und bezahlt.


Wenn ich am morgen mein Fahrrad beim Bahnhof Urawa Misono abstelle, begrüsst mich immer ein freundlicher alter Herr. Ich zahle ihm 150 Yen und bekomme einen kleinen Zettel, den ich an den Lenker klebe. Aber auch auf den Veloabstellplätzen hat die Automatisierung begonnen, wie ich heute am Bahnhof Ryogoku feststellen konnte. Da kostet ein Tag dann nur noch 100 Yen. Ich fürchte, da gehen wichtige Low-level-Jobs verloren...


In gewissen Situationen wird eine Automatisierung als selbstverständlich vorausgesetzt. Zum Beispiel bei Drehtüren. Dennoch war ich etwas erstaunt, dass eine entsprechende manuelle Variante eigens mit einer Gebrauchsanweisung versehen war.


Thursday, November 3, 2011

Ein Besuch bei Improjapan

Eigentlich hätte ich ja im Saitama-Stadion die Reds anfeuern sollen, doch Naomi Ikegawa und Kayou Minematsu hatten mich eingeladen, an einem offen Workshop von Improjapan teilzunehmen, und abends eine Impro-Show ihrer Studenten zu besuchen. Das wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

Als ich morgens um 10 Uhr mit dem Fahrrad vom Stadion her zum Bahnhof Urawa-Misono fuhr, kamen mir bereits die ersten Fans des Heimteams entgegen. Anpfiff war um 17 Uhr. Es hat alles nichts genützt. Heute morgen wurde mir erzählt, sie hätten gegen Iwata 0:3 verloren. Und danach soll es zu Schlägereien gekommen sein. Die Supporter sollen auf die Spieler losgegangen sein.


Energiegeladene Leute traf ich auch im Improworkshop. Die Teilnehmer waren Leute zwischen 25 und 35. Beamte, Informatiker, Verkäufer...  Sie hatte sich den Tag frei genommen und genossen es sichtlich, den Arbeitsstress vergessen zu können. Kayou hatte den Workshop gewissenhaft vorbereitet.  Nach jedem Spiel bedankte man sich bei den Mitspielern und verbeugt sich dazu auch. Der Fokus lag eher auf den Inhalten als auf den Methoden. Dies hatte ich nicht unbedingt erwartet, da ja in Japan der Art und Weise, wie etwas gemacht wird, meist sehr ernst genommen wird. Die Leute waren einfach da, um Spass zu haben. Sie wollten lachen und waren froh, für einmal nicht so viele Regeln beachten zu müssen. Bei Improjapan haben sie einen Ort gefunden, wo sie ausnahmsweise mal aus der Rolle fallen dürfen. Was sonst im Theater nicht unbedingt gewünscht ist, scheint mir hier - zumal im Trainingssetting - ein sinnvoller Regelverstoss.

 

Abends dann die Show. Kayou und drei ihrer Studenten spielten, Namoi moderierte. Obwohl nur etwas 15 Zuschauer da waren, die meisten wohl auch Studenten bei Improjapan, wurde professionell mit Licht und Musik gearbeitet. Es gab ein paar wunderbare Szenen. Zum Beispiel eine Sandkasten-Szene, bei der zwei Zuschauer zwei Schauspieler wie Puppen bewegen durften (Bild unten). Oder eine Szene, die teilweise im Innern eines Computers stattfand. Auch einige Soloauftritte waren ganz beachtlich.



Ich hatte vor einigen Tagen bereits eine Theatervorstellung des Tokyo Festival besucht. Kein Improtheater, sondern in diesem Sinne klassisch. Die Schauspieler und die Inszenierung hatten mich beeindruckt. Aber bleibender war der Eindruck, den der Schlussapplaus bei mir hinterlassen hat: ein knappes, höfliches Klatschen. Niemand klatscht zu laut, niemand ruft gar irgend etwas. Die Schauspieler haben Glück, wenn noch geklatscht wird, solange sie noch auf der Bühne sind. Dies kam mir wieder in den Sinn als ich die Impro-Show sah. Nach jeder Szene wurde es nämlich zunächst dunkel, es ertönten ein paar Takte Musik, dann wurde es hell, die Schauspieler verbeugten sich und das Publikum klatschte. Jedes Mal wurde also zwischen dem Schluss der Szene und dem Applaus eine Pause eingeschaltet. Wer in Versuchung geraten wäre, seiner Begeisterung spontan Ausdruck zu verleihen, vom Stuhl aufzuspringen, laut zu klatschen oder gar zu Kreischen, bekam 5 Sekunden Zeit, sich eines Besseren zu besinnen.

Dennoch, es war ein toller Abend. Und später, im chinesischen Restaurant, wurde es sogar noch richtig laut.